Friday, September 25, 2009

<strong>Zwei Leichen, 1000 Seiten & die Gegenkultur:</strong> Unversöhnliche Herbstlektüren von Norman Mailer und Irving Kristol

Fast zwei Jahre nach dem Tod von Norman Mailer am 10. November 2007, hat das neokonservative Commentary Magazine einen elaborierten Generalveriss dessen Lebens/werkes veröffentlicht. In bester Tradition des Autoren wird zwischen seinen privaten Eskapaden und seinem literarischem Output nicht wesentlich unterschieden. Der Rezensent beschreibt den doppelten Pulitzerpreisträger als moralisch in jeder Hinsicht degeneriert und seine Prominenz als Symptom für die Verderbtheit der amerikanischen Kultur:

In the republic at twilight, where the cult of the self is our one true faith and energy has superseded virtue as the object of our reverence, it was inevitable that someone like Norman Mailer should become America’s most celebrated man of letters.

Lesenswert ist das im Zusammenhang mit der stattlichen Auswahl an Rezensionen und Essays, die Commentary auf seiner Internetseite im Gedenken an das Leben des kürzlich verstorbenen neokonservativen Publizisten Irving Kristol veröffentlichte. Kristol hat sich ebenso wie Mailer in The White Negro und The Armies of the Night intensiv mit der amerikanischen Counterculture beschäftigt. Seine Haltung war dabei, anders als bei Mailer, nicht die des partizipierenden (Selbst-) Beobachters, sondern von beeindruckender Abneigung geprägt.

Die Gegenkultur sei nicht nur gegen Kultur, sondern auch völlig ohne Anlass gewesen, schreibt Kristol in einem seiner Texte. Mailer würde wohl widersprechen und — wie er es in The White Negro tut — noch einmal auf Shoa und Atomkrieg als psychologischen Hintergrund des hier als amoralischem Draufgängertums empfundenen “American existentialism” hinweisen. Beides Faktoren, die ganz anders auf Kristol wirkten — und ihn zusammen mit seinem Entsetzen über die besagte Counterculture aus dem Lager des linksliberalen Intellektuellen nach rechts trieben.

Mailer nahm die Counterculture vorweg, Kristol wird als Pate der Counter-Counterculture gehandelt — und beide haben tausende Seiten Text hinterlassen, die man als Streitgespräch zweier unversöhnlicher Positionen zu Individuum, Staat, Kultur und Moral in Amerika lesen kann. Buckley vs. Vidal in XXL.

Gut, dass es draußen Herbst geworden ist.

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